132 a Übergangsvorschrift zur Einführung von islamischem Religionsunterricht

Stellungnahme der Gesellschaft für wissenschaftliche Aufklärung und Menschenrechte (GAM) zur geplanten Einführung von Islamischem Religionsunterricht (IRU) in NRW

Der Landtag Nordrhein-Westfalen will auf seiner Sitzung am 21. Dezember 2011 ein Gesetz zur Einführung von islamischem Religionsunterricht als ordentliches Lehrfach (6. Schulrechtsänderungsgesetz) beschließen.

Die GAM nimmt aus diesem Anlass zum vorliegenden Gesetzentwurf (Drucksache 15/2209 vom 21.06.2011) wie folgt Stellung:

Der Gesetzentwurf steht auf tönernen Füßen, da er auf einer verfassungsmäßig fragwürdigen Übergangslösung in Gestalt einer willkürlich konstruierten „Ermächtigungsnorm“ ohne Vorliegen von rechtlichen Voraussetzungen basiert. Zum einen fehlen die erforderlichen islamischen Instanzen als autoritative Richtliniengeber im Sinne von staatskirchenrechtlich qualifizierten Religionsgemeinschaften. Zum anderen existieren keine verfassungsmäßigen Regularien, um die politische Willkürentscheidung der Landesregierung rechtskonform zu realisieren. Diese muss vielmehr selbst einräumen, dass die islamischen Organisationen, mit denen kooperiert werden soll, nicht allen formellen und inhaltlichen Anforderungen entsprechen, „die nach der Rechtssprechung von Religionsgemeinschaften verlangt werden“ (S. 5).

Hinzu kommt, dass die Islamverbände in Deutschland nur eine Minderheit der aus islamischen Ländern zugewanderten Personen vertreten, wie im Gesetzentwurf selbst anhand von Zahlen aus der Studie „Muslimisches Leben in Nordrhein-Westfalen“ dargelegt wird.

Von wesentlicher Bedeutung ist aber nicht zuletzt das mangelhafte Bekenntnis der im Koordinierungsrat der Muslime zusammengeschlossenen Verbände zum deutschen Grundgesetz. (Für orthodoxe Muslime ist die Bindung an den Koran sowie an die islamischen Vorschriften höherrangig als die Bindung an säkulare Normen und Prinzipien. Gemäß der Studie „Muslime in Deutschland“ aus dem Jahr 2007 stimmten 46,7% der Befragten der Aussage zu „Die Befolgung der Gebote meiner Religion ist für mich wichtiger als Demokratie“. 33,6% befürworteten die Todesstrafe und nach Auffassung von 65,5% der Befragten sollte der Staat Zeitungen und Fernsehen kontrollieren, um Moral und Ordnung sicher zu stellen. Es sind zumeist genau jene Muslime mit diesem Einstellungsprofil, die Mitglieder und Funktionäre der Islamverbände sind.)

Mit der Installierung eines Beirats, der sich ausschließlich aus muslimischen Personen zusammensetzen soll, darunter zwei muslimische Religionsgelehrte, tritt die Landesregierung NRW im Prinzip die Ausgestaltung der Inhalte des IRU sowie die Bewilligung der Lehrkräfte an die Islamvertreter ab. (Die Formulierung „das Einverständnis kann nur aus religiösen Gründen verweigert werden“, ist eine Leerformel, da es sich ja nur um religiöse Angelegenheiten/religiöse Lerninhalte sowie um die Beauftragung von Religionslehrern/innen/ handelt.)

Vorgesehen ist damit die Einbeziehung von islamischen Interessenverbänden, darunter zwielichtige Organisationen, in staatliches Handeln. Das bedeutet konkret: Unkritische Kooperation mit konservativen bis fundamentalistischen Islamverbänden; was im Endeffekt darauf hinausläuft, deren reaktionäre Identitätspolitik (Formung ihrer Mitglieder im Sinne des orthodoxen Islam) staatlich zu legalisieren und zu fördern (S.2Art.1, Abs.2 (1)). Verlangt wird nicht die Achtung des GG, sondern nur die Achtung des (anachronistischen) Religions- und Staatskirchenrechts (S. 3).

Da die Installierung der Ausbildung von Lehrkräften für das Fach IRU Kosten verursacht, welche von der Gemeinschaft der Steuerzahler, darunter zahlreiche Konfessionslose, aufgebracht werden müssen, ist es absurd, die entsprechenden finanziellen Auswirkungen auf Unternehmen und private Haushalte zu leugnen.

Religionsfreiheit kann entgegen dem Text des Gesetzentwurfs zum einen nicht gleichgesetzt oder konfundiert werden mit der Erteilung von staatlichem Religionsunterricht in Form eines bekenntnisreligiösen Unterrichts. Insofern ist es auch nicht Aufgabe des weltanschauungsneutralen Staates oder seiner Untergliederungen, aktiv (eigeninitiativ) und ohne Mandat der Bevölkerungsmehrheit in Form eines Volksentscheides die folgenschwere Einführung eines Bekenntnisunterrichts einer Zuwanderungsreligion zu betreiben – noch dazu, wenn deren Grundinhalte mit freiheitlichen Grundrechten kollidieren. Indem Staatsorgane in dieser Weise aufgrund intransparenter Interessen aktiv und begünstigend zugunsten einer bestimmten Religionsgruppe agieren und sich andererseits systematisch über die Interessen und Anliegen der Großgruppe der Religionsfreien und deren Recht auf negative Religionsfreiheit hinwegsetzen, verstoßen sie massiv gegen das Prinzip der weltanschaulichen Neutralität.

Auch ist aus dem Grundgesetz kein Rechtsanspruch ableitbar, dass Zuwanderer den Staat des weltanschaulich und kulturhistorisch anders gepolten Aufnahmelandes dazu verpflichten oder anhalten können, ihre Religion staatlich abzusichern und in Form von bekenntnisreligiösem Unterricht zu fördern.

Bei der Einführung von IRU auf Betreiben des Staates handelt es sich demnach um eine rechtsfreie politisch-ideologische Willkürentscheidung, die über keine ausreichende demokratische Legitimation verfügt.

Im Gegensatz zum Geist des Gesetzentwurfs muss in Deutschland die Säkularisierung bzw. die Trennung von Staat und Religion vollendet werden. Eine schulpolitische Realisierung dieser Forderung hat die Kritische Islamkonferenz in ihrer Abschlusserklärung formuliert:

„§ 2: Ziel ist eine säkulare Gesellschaft

1. Integration setzt Gemeinsamkeit voraus: Die staatliche Schule muss ein solcher Ort der Gemeinsamkeit werden und darf nicht nach den Vorgaben der Religionsgemeinschaften organisiert werden.

2. Die Abmeldung vom Biologie-, Sexualkunde-, Musik- oder Sportunterricht aus religiösen Gründen ist Ausdruck einer bildungs- und demokratiefeindlichen Einstellung und deshalb nicht zu dulden.

3. Wir fordern die kopftuchfreie Schule, um die Entwicklung von Mädchen und jungen Frauen im Sinne einer freien Selbstbestimmung jenseits patriarchaler Normen zu unterstützen.

4. Anstatt flächendeckend einen bekenntnisorientierten Islamunterricht einzuführen, ist ein neues Schulfach „Religions- und Weltanschauungskunde“ angezeigt, in dem die Heranwachsenden neutral und sachlich über die Grundinhalte der Religionen sowie der philosophisch-humanistischen Religionskritik und der säkularen Ethik informiert und unterrichtet werden.“

Primäre Aufgabe des deutschen Bildungssystems wäre es demnach, den Heranwachsenden gerade auch aus islamischen Herkunftsmilieus auf nachhaltige Weise die (europäischen) Werte und Grundnormen einer säkular-demokratischen Gesellschafts- und Lebensordnung zu vermitteln und den eingeschlagenen Irrweg zu verlassen, in Form einer religiösen Identitätspädagogik desintegrative Mentalitäten zu bestärken und zu verfestigen.

Verweise

Gesellschaft für wissenschaftliche Aufklärung und Menschenrechte (GAM)

http://www.gam-online.de/index.html

Feindbild Islamkritik: Wenn die Grenzen zur Verzerrung und Diffamierung überschritten werden

http://www.hintergrund-verlag.de/buecher-feindbild-islamkritik.html

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3 Antworten to “132 a Übergangsvorschrift zur Einführung von islamischem Religionsunterricht”

  1. Cees van der Duin Says:

    Islamunterricht: «Dieses Modell ist eine Brücke, keine Krücke»

    Von Margot Gasper
    08.12.2011

    Viele wollten von Sylvia Löhrmann aus erster Hand erfahren, wie der geplante Islam-Unterricht in Nordrhein-Westfalen aussehen soll. Die Ministerin folgte einer Einladung des Islamischen Zentrums und der Aachener Grünen. …

    Für die Gastgeber in der Bilal-Moschee ist der neue islamische Religionsunterricht nichts weniger als ein historischer Schritt. «Dafür haben wir fast 20 Jahre lang gearbeitet», erklärte Safar Al-Halabi, Vorstandsmitglied des Islamischen Zentrums. «Wir sind sehr optimistisch, dass das Gesetz verabschiedet wird. Es ist ein wichtiger Schritt zur Normalisierung des Alltags.»

    Nurhan Soykan, Generalsekretärin des Zentralrats der Muslime in Deutschland, kritisierte allerdings sehr deutlich, dass mit dem Beiratsmodell zunächst nur eine «Übergangslösung» erreicht wurde. …

    Für die Ministerin ist klar: Wenn Religion in den Schulen unterrichtet wird, dann darf den muslimischen Schülern dieser Unterricht nicht verweigert werden. Deshalb warb die Ministerin in Aachens ältester Moschee eindringlich dafür, gemeinsam mutig Neuland zu betreten: «Lassen Sie uns so kurz vor dem Ziel nicht stehenbleiben!» …

    «Gilt für den Islamunterricht auch das Kopftuchverbot?», wollte während der Diskussion eine junge Frau wissen, «kann man auch mit Kopftuch Islamlehrer werden?» Man kann, erklärte die Ministerin. «Im Religionsunterricht dürfen die Lehrkräfte Zeichen ihres religiöses Bekenntnisses tragen. Diese Ausnahmeregelung ist aber schon jetzt im Gesetz festgeschrieben.»

    http://www.aachener-zeitung.de/sixcms/detail.php?template=az_detail&id=1915860&_wo=Lokales:Euregio

    Grußwort
    der Ministerin für Schule und Weiterbildung
    des Landes Nordrhein-Westfalen,
    Sylvia Löhrmann MdL

    Islamischer Religionsunterricht
    an Schulen in NRW
    Mittwoch, 7. Dezember 2011

    Dabei ist der islamische Religionsunterricht ist für die muslimischen Schülerinnen und Schüler eine große Chance, denn

    · er unterstützt die Entwicklung einer muslimischen Identität in einer nicht durchgängig muslimisch geprägten Umgebung und

    · er befähigt dazu, auf Grundlage der islamischen Quellen – insbesondere des Korans – die Welt regelgeleitet religiös zu deuten.

    Der Religionsunterricht gibt hier wichtige Anstöße, er schafft Raum für die Reflexion, liefert Impulse für verantwortliches Handeln und vor allem:

    Er befähigt zu einer persönlichen Entscheidung in Auseinandersetzung mit dem eigenen Glauben und anderen Weltanschauungen und er fördert Toleranz und Verständnis gegenüber der Entscheidung anderer.

    Klicke, um auf 7_12_2011_IRU__Bilal_Moschee_Aachen.pdf zuzugreifen

  2. Schule in Hessen: Lehrfach Scharia? Says:

    Sharia Law Made in Frankfurt! Die Muftis und Scheiche aus dem weiteren Umfeld von Muslimbruderschaft (ECFR, IESH, RIGD, IGD, ZMD), Millî Görüş und Darul Uloom können sicherlich bald in die hessischen Schulen einrücken:

    – – – – – –

    Ministerium der Justiz, für Integration und Europa:

    10.01.2011 – Pressemitteilung
    Integrationsminister Jörg-Uwe Hahn: „Ein guter Tag für Hessen. Der Antrag auf Einführung des islamischen Religionsunterrichts an hessischen Schulen wird nun sorgfältig geprüft.“

    Der hessische Landesverband der DITIB hat heute, vertreten durch ihren Vorsitzenden, Fuat Kurt, einen 22 Seiten langen Antrag zur Einführung des islamischen Religionsunterrichts an den hessischen Justiz- und Integrationsminister Jörg-Uwe Hahn übergeben.

    http://www.hessen.de/irj/HMdJ_Internet?rid=HMdJ_15/HMdJ_Internet/nav/eab/eab50ad9-d54d-b701-be59-263b5005ae75,cd5700b1-6140-7d21-f012-f31e2389e481,,,11111111-2222-3333-4444-100000005004%26_ic_uCon_zentral=cd5700b1-6140-7d21-f012-f31e2389e481%26overview=true.htm&uid=eab50ad9-d54d-b701-be59-263b5005ae75

    11.01.2011 – „Der landesweite islamische Verein Ditib möchte Religionsunterricht anbieten. Sein Landesvorsitzender Fuat Kurt reichte den Antrag dafür bei Integrationsminister Jörg-Uwe Hahn ein. Auch die Ahmadiyya-Gemeinde stellte einen Antrag.“

    http://www.fr-online.de/rhein-main/islamkunde-muslime-wollen-unterrichten,1472796,5175652.html

    19.01.2011 · Zwei weitere islamische Verbände erwägen, beim Land Hessen einen Antrag auf Mitwirkung bei einem islamischen Religionsunterricht zu stellen.

    „Das teilten Sprecher des türkisch geprägten Verbands der Islamischen Kulturzentren (VIKZ) und des Zentralrats der Marokkaner in Deutschland auf Anfrage mit. Bisher haben der hessische Landesverband der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion – nach dem türkischen Namen mit Ditib abgekürzt – und die Ahmadiyya-Gemeinde Anträge vorgelegt.

    Vertreter dieser vier Gruppen gehören gemeinsam mit anderen zum „Runden Tisch“, den die Landesregierung zur Einführung eines islamischen Religionsunterrichts eingerichtet hat und der seit August 2009 tagt. …

    Die Anträge von Ditib und Ahmadiyya-Gemeinde werden derzeit von Justiz- und Integrationsminister Jörg-Uwe Hahn (FDP) geprüft. Bezogen auf Ditib will Hahn „die Frage der Verfassungstreue und der Unabhängigkeit von Einflüssen des türkischen Staates“ in den Mittelpunkt stellen.“

    http://www.faz.net/aktuell/rhein-main/hessen/gemeinsamer-lehrplan-noetig-weitere-verbaende-wollen-islam-unterricht-1579304.html

    2012 –

    In Hessen wurde Anfang Februar die Grundlage für islamischen Religionsunterricht an Grundschulen gelegt. Eine Arbeitsgruppe mit acht muslimischen Verbänden hatte einvernehmlich die Bildungsstandards und den Kernstundenplan für den Unterricht in den Klassen 1 bis 4 erstellt.

    („Der hessische Justiz- und Integrationsminister Jörg-Uwe Hahn (FDP) hält den Islamunterricht in Nordrhein-Westfalen für verfassungswidrig.“)

    http://www.kischuni.de/news/schule/hahn-bezeichnet-islamunterricht-in-nrw-als-verfassungswidrig-4286.html

    Integrationsminister Hahn: „Der Staat darf nicht der Lenker des Islam sein. Die in NRW und Niedersachsen gewählte Beirats-Lösung ist nach meiner juristischen Bewertung verfassungswidrig.“

    http://www.hessen.de/irj/HMdJ_Internet?rid=HMdJ_15/HMdJ_Internet/nav/be0/be0608bd-1dea-e701-be59-263b5005ae75,c7a42150-3dc5-31f0-12f3-12b417c0cf46,,,11111111-2222-3333-4444-100000005004%26_ic_uCon_zentral=c7a42150-3dc5-31f0-12f3-12b417c0cf46%26overview=true.htm&uid=be0608bd-1dea-e701-be59-263b5005ae75

  3. Jacques Auvergne Says:

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    Die acht Mitglieder des Beirats für die Einführung des islamischen Religionsunterrichts in Nordrhein-Westfalen stehen fest. Bei dem Treffen von Schulministerin Sylvia Löhrmann (Die Grünen) mit dem Koordinationsrat der Muslime (KRM) wurde in großem Einvernehmen der Beirat gebildet …

    Die islamischen Organisationen haben folgende Vertreterinnen und Vertreter für den Beirat bestimmt: Herrn Mehmet Soyhun (Theologe, Landesdialogbeauftragter DITIB), Herrn Burhan Kesici (Politikwissenschaftler und Islamischer Religionslehrer), Frau Nigar Yardım (Theologin, Integrations- und Frauenbeauftragte des VIKZ) und Frau Eva El-Shabassy (Zentralrat der Muslime, Beauftragte für Pädagogik und Religionsunterricht, Grundschullehrerin).

    Das Ministerium entsendet folgende Vertreter: Herrn Prof. Dr. Mouhanad Khorchide (Professor für Islamische Religionspädagogik am Centrum für Religiöse Studien an der Universität Münster), Frau Hanim Ezder (Islamwissenschaftlerin aus Köln), Frau Tuba Isik-Yigit (Doktorandin am Zentrum für Komparative Theologie und Kulturwissenschaften an der Universität Paderborn) und Herrn Sami Alphan (Islamwissenschaftler, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität zu Köln).

    Die Amtszeit der Beiratsmitglieder beträgt drei Jahre. Ihre Tätigkeit erfolgt ehrenamtlich. …

    aus: NRW und KRM einigen sich auf Beirat
    in: Migazin 22.02.2012

    http://www.migazin.de/2012/02/22/nrw-und-krm-einigen-sich-auf-beirat/

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    „Die Beziehung zwischen Staat und Religion im Islam“ …
    (Burhan Kesici)

    2.4 Rechte und Pflichten laut der Scharia

    Der Islam räumt den Menschen bestimmte Rechte ein und bürgt ihnen gleichzeitig bestimmte Pflichten auf. Die Rechte und Pflichten kann man grob in vier Kategorien aufteilen:

    1. Pflichten gegenüber Allah,

    2. Pflichten gegenüber sich selbst,

    3. Pflichten gegenüber den anderen Menschen,

    4. Pflichten gegenüber anderen Lebewesen.

    Die oben angeführten Rechte und Pflichten stellen den Eckpfeiler des Islam dar und müssen von jeden Moslem eingehalten und beachtet werden. Konkret werden diese Rechte und Pflichten in der Scharia beschrieben. …

    2.4.2 Pflichten gegenüber sich selbst

    Der Mensch ist gegenüber sich selbst am ungerechtesten und fügt sich das meiste Leid zu, da der Mensch nur beschränkt in der Lage ist seine Begierde zu zügeln. Einige Menschen geben sich ganz den weltlichen und andere den geistigen Genüssen hin. Der Islam bevorzugt aber den Mittelweg.

    Die Scharia besagt, daß die Menschen physische, moralische, geistige und seelische Bedürfnisse haben die befriedigt werden müssen. Die Scharia legt den Rahmen fest, in der die Befriedigung der Bedürfnisse stattfinden kann.
    2.4.3 Pflichten gegenüber den anderen Menschen

    Die Scharia besagt zwar, daß die eigenen Bedürfnisse befriedigt werden sollen, dabei ist aber zu beachten, daß die Rechte anderer nicht beschnitten werden. Die Scharia versucht einen gesellschaftlichen Interessenkonflikt dadurch zu verhindern, indem sie ein Gleichgewicht zwischen den Rechten und Pflichten der einzelnen Personen schafft. Die Scharia verbietet jegliches Handeln mit dem die Rechte anderer eingeschränkt bzw. verletzt werden.

    Das gesellschaftliche Wohlergehen ist für den Islam von sehr hoher Bedeutung. Daher stellt der Islam auch die Regel fest, wie man sich in einer Gesellschaft zu verhalten hat und auf was man achten muß. Mit der Geburt integriert sich der Mensch in ein soziales Gefüge (Familie) die nach islamischen Regeln konstituiert sein sollte. Im späteren Verlauf regelt der Islam auch die Beziehung zu den näheren Verwandten und der Umgebung des Menschen. Durch gegenseitige Rechte und Pflichten lernt der Mensch den Umgang mit seinen Mitmenschen. …

    3. Quellen des islamischen Rechts und die Möglichkeit des „Içtihat“

    Die Hauptquellen des Islam sind:

    1. Der Kuran

    2. Die Sunna

    3. Kiyas

    4. Içtihat. …

    Der Kuran ist die Hauptquelle des Islam und anhand der Sunna können die Muslime den Sinn und die Anwendungsmöglichkeiten der islamischen Gebote bzw. Verbote ersehen. Da der Kuran überwiegend allgemeingültige Aussagen trifft ist die Sunna zum Verstehen der Offenbarungen unabdingbar. …

    8.2 War der Stadtstaat überhaupt ein Staat im modernen Sinne?

    Unter einen Staat versteht man eine Gemeinschaft, die eine geistige Persönlichkeit, Souveränität, Vorschriften (Verfassung) und Grenzen hat.

    Nach den oben angeführten Kriterien müßte die Frage, ob der Stadtstaat Medina ein Staat im modernen Sinne war bejaht werden, denn die etablierte Gemeinschaft hatte eine Persönlichkeit, d. h. daß sie sich zu einem Ideal bekannte. Sie hatte eine anerkannte Souveränität, bestehenden Grenzen und eine Verfassung.
    8.3 Wie sah die Struktur des Stadtstaates Medina aus?

    Wie oben schon erwähnt war der Stadtstaat Medina ein Zusammenschluß von unterschiedlichen Gemeinschaften die nach innen Autonom waren und nach außen eine Gemeinschaft darstellten. Man kann sagen, daß der Stadtstaat eine Art Konföderation war. An der Spitze des Staates war der Prophet Mohammed. Er bekleidete nicht nur das Amt des Staatsoberhauptes, sondern auch Amt des religiösen und geistigen Führers. …

    9. Schlußbetrachtung

    Der Islam sieht eine Einheit zwischen Staat und Religion vor. Sie sind von einander nicht zu trennen. Meine Analyse hat mir gezeigt, daß in diesem Punkt alle Muslime sich einig sind. Die Differenzen entstehen erst in der Struktur des islamischen Staates. Nach meiner Analyse sehe ich mich in meiner These gestärkt, daß sich ein zukünftiger islamischer Staat an den Gegebenheiten zu orientiert hat. Und zwar in dem erst das Individuum, dann die Gesellschaft und zum Schluß der Staat islamisch geprägt wird. …

    Es müssen Personen vorhanden sein die eine islamische Ordnung haben wollen und daraufhin arbeiten. Wenn sie den Islam leben, dann können sie auch einen islamischen Einfluß auf die Gesellschaft ausüben wovon der Staat auch betroffen sein wird.

    Ich möchte meine Arbeit mit einer gewagten These abschließen:
    „Ein Staat kann keine Religion haben! Es sind die Menschen die den Staat ausmachen. Wenn die Menschen nach dem Islam leben, dann wird die Ordnung von selbst islamisch, denn die Gesetze werden von Menschen gemacht die eine bestimmte Wertvorstellung haben. Wenn diese Wertvorstellung auf dem Islam basieren, so werden die Gesetze auch nach islamischen Werten gemacht.“ …

    LITERATURVERZEICHNIS

    EL-MEVDUDI: Seyyid Ebul A´la: Towards Understanding Islam, Lahor, 1966, übersetzt in das türkische 1986 (Istanbul). …

    [Mevdudi = Maududi: el-Mevdudi ist der radikale indisch-pakistanische Islamtheoretiker Sayyid Abul Ala Maududi (1903-1979)]

    aus: Burhan Kesici: Die Beziehung zwischen Staat und Religion im Islam

    http://www.enfal.de/staat.htm

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