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Schule muss neutral bleiben

Oktober 20, 2009

برلين

Berlin

Gebetsraumurteil wenig plausibel

Ein Zwischenruf von Jacques Auvergne

Damit auch künftigen Generationen ungeschmälerte Freiheitsrechte und Bürgerrechte zugänglich sind, scheint es angesichts eines weltweit aggressiv agitierenden politischen Islam angebracht, an staatlichen Schulen keine schariakompatiblen Gebetsräume einzurichten. Einen womöglichen Bewerber der grundrechtswidrigen Scharia wie Dr. Mathias Rohe (»Das islamische Recht«, 2009) als Gutachter heranzuziehen war sicherlich bereits eine grundfalsche Entscheidung. Es muss uns darum gehen, die grundgesetzlich garantierte gleiche Würde jedes Menschen, auch des nichtbetenden Schülers, in öffentlichen Bildungseinrichtungen ebenso zu garantieren wie die Gleichberechtigung der Geschlechter. Beides ist mit einem fundamentalistisch verstandenen Islam nicht zu machen.

Der weltweit vernetzte fundamentalistische Islam der Sympathisanten der Wahhabiten, Muslimbrüder und Erbakan-Anhänger ist hoch politisch und mit Vereinen wie Inssan, MJD oder Islamische Föderation Berlin längst auch in der Bundeshauptstadt aktiv. Das dynamisch nach Kohärenz und Totalität strebende System der absoluten Gehorsam verlangenden islamischen Pflichtenlehre (Scharia und Sunna; Fiqh) ironisiert die grundgesetzlich verbürgte Religionsfreiheit konzeptionell. Religiöse Selbstbestimmung nach Maßgabe eines nachhaltig gemeinten staatsbürgerlichen und freiheitlich-demokratischen Geistes ist nicht nur im Islam aber besonders im Islam ebenso untrennbar wie problematisch verwoben mit sexueller Selbstbestimmung, weswegen unser Augenmerk dem Einsatz für garantierte negative Religionsfreiheit gelten muss.

Gerade Minderjährige bedürfen hierzu der Zeiten und Räume geschützten, relativ ideologiefreien Aufwachsens, um gegen den Fundamentalismus absoluter Textgläubigkeit und andressierter Angst vor der Höllenstrafe immun zu werden und immun zu bleiben. Spätestens hier erweist sich Mathias Rohe als Gefahr für die sehr säkular gedachte die Idee, denn der Erlangener Fachmann für Rechtsvergleichung ist seit Jahren weder in der Lage, vor sklavischer Textbefolgung (Koran, Hadithe, Fatwas) zu warnen noch dazu aufzurufen, Kinder und Jugendliche bewusst ohne die Angst vor dem Verbrennen in den Flammen der koranisch verbürgten Hölle zu erziehen. Kompetenz, Erfolg und Wirksamkeit eines Gutachters zum Thema islamisches Gebet in der Schule können aber wohl kaum von seiner Schariakonformität und Höllenpädagogik abhängen.

Das islamische Gebet strebt nach Kollektivität und geht mit einem erheblichen Konformitätsdruck einher, der Gebetsverweigerer wird nur allzu leicht als Gegner der islamischen Lebensweise und Feind Allahs stigmatisiert. Jedes öffentliche islamische Gebet ist stets eine verhältnismäßig bewusste Machtdemonstration und Machterprobung, sinngemäß gilt das auch für die öffentlich getragene schariakonforme (islampolitische) „Bedeckung“ des weiblichen Leibes mit jenem Hidschab, den wir einstweilen meist noch als Kopftuch sehen und besprechen.

Um Partizipation und Emanzipation, um die ungeschmälerten Grundrechte zu garantieren, muss es unser Ziel sein, alles dafür zu tun, die Spaltung der europäischen beziehungsweise deutschen Bevölkerung in ethnoreligiöse Kollektive zu begrenzen und letztlich zu verhindern. Unsere Schulen betreffend, „Berlin 2009“ (Diesterweg-Gymnasium, Wedding) ist dabei nichts weniger als ein Präzedenzfall, haben wir dafür zu sorgen, dass die einer heiligen Apartheid gleichkommende, vom orthodoxen Islam sehr gewünschte Aufteilung der Schülerschaft in nichtmuslimische Schüler und Muslim-Schüler unterbunden wird. Demonstrationen „islamisch korrekten“ Verhaltens brauchen wir nicht gerade zu begrüßen.

Solange noch nicht einmal unsere Islamverbandsfunktionäre dem theokratischen Anspruch der Wahhabiten oder der Scheichs um Yusuf al-Qaradawi widersprechen mögen, stigmatisiert jedes islamische Gebet den Nichtbetenden als Islamverweigerer und damit als Mensch sittlich geringeren Wertes. Des weiteren sind der islamische Gebetsruf und sein Befolgungsritual bis zur Außerkraftsetzung von Scharia und Fiqh als Ruf nach ebenso frauenfeindlicher wie heiliger Sexualpolitik zu verstehen und als ein Erflehen einer Ordnung, in der die Frau nur die Hälfte erbt, ihre Aussage vor Gericht nur die Hälfte gilt, sie als wesensgemäße Verführerin mit einem Schleier zu „bedecken“ ist und ihr Vater sie als Wali Mudschbir (staatlich-ministeriell in Malaysia wali mujbir) in erster Ehe auch gegen ihren Willen verheiraten kann.

Ein Leben als Single oder Lesbe ist vom politisch denkenden Gott Allah für jedes muslimisch sozialisierte Mädchen Berlins und Deutschlands nicht vorgesehen, ebenso wenig dürfen Jungen die repressive und homophobe Sexualdoktrin der Scharia in Frage stellen. Dr. Rohe ist es ferner gleichgültig, dass mit dem islamischen Gebet auch die reaktionäre und gegenaufklärerische Doktrin von der Existenz des ewigen jenseitigen Höllenfeuers und des irdisch aktiven Satans (Iblis, Azazil) Einzug in unsere Schulen hält, wir sollten diesbezüglich deutlich weniger „tolerant“ sein.

Im Interesse des Schulfriedens und der religiösen, politreligiösen und sexuellen Selbstbestimmung aller am Schulleben Beteiligten ist das Urteil zum islamkonformen Gebetsraum und zum Islamgebet an staatlichen Schulen anzufechten, eine Revision ist vorzunehmen.

Jacques Auvergne